Vom Winter wieder lernen, sich überschneien zu lassen. Ohne Furcht.
Eveline Hasler
Dunkelheit
Die Wahrnehmung für die spirituelle Besonderheit der Dunkelheit ist verloren gegangen. Sie ist nur noch Düsternis, die möglichst schnell vorüber gehen soll. Nur ja nicht finster, das ertragen wir kaum, macht uns Angst. Die stetig anwachsende, adventliche Lichterflut in Häusern, Gärten und Geschäftsstrassen könnte als Ausdruck dieser inneren Verweigerung, sich der Dunkelheit hinzugeben, gedeutet werden.
Doch die Dunkelheit hat ihre ganz eigene Qualität:
Schwarz und dunkel umhüllt mich die Nacht
Ruhe umgibt mich, die still mich macht
Spür meinen Atem, hör mein Herz schlagen
Sprich meine Seele, was willst du mir sagen?
Dunkle Zeit, Wurzelzeit
führst mich nach innen
mich zu besinnen
wer ich bin.
Lied von Arunga Heiden
In der matriarchalen Tradition liegt aller Ursprung in der Dunkelheit, im Schoss der Mutter Erde.
Der Kessel, die Schale, der Topf auf dem Feuer, sie stellen die dunkle Hälfte des Jahres dar.
Symbolisch entsprechen sie dem Leib der Erde, in deren Inneres sich die Kräfte der hellen Zeit zurückziehen um sich dort dem schwarzen Verwandlungsprozess zu überlassen. Im Schoss der Erde regieren eigene Gesetze. Zerstörung und Neuwerdung sind nicht mehr zu trennen, die alten Substanzen werden zu Bausteinen des Neuen. Im Kochen und Rühren verbindet sich alles, und manchmal können wir im aufsteigenden Dampf erste Konturen des neuen Jahres erkennen.
Sowohl in südamerikanischen wie auch in afrikanischen Mythen rührt Nana, die Urgrossmutter im Kessel, im Norden ist es Cerridwen, die Dunkelheitsgöttin, auch Frau Holle und die Perchten rühren im Topf auf dem Feuer…
Ziriah Voigt schreibt in ihrem Buch „Ritual und Tanz im Jahreskreis“
Der Stillstand der Wintersonnenwendzeit ist voll dösiger Schwere, wie schwarze Tonerde, die sich von Tag zu Tag weniger bewegen lässt. Jedes Jahr habe ich in den letzten Tagen vor der Wintersonnenwende den intensiven Wunsch, mich dieser Schwere einfach zu ergeben und für immer im Nichts dieser Zeit zu versinken. Und irgendwann fange ich dann an, in dieser Dunkelheit einen Zustand zu fühlen, den ich noch nie gespürt habe und der mehr wert ist als alle drängenden Fragen dieser Welt. Es ist ein Zustand vor aller Zeit, es ist ein Gefühl, als ob ich die Welt vor ihrer Entstehung kennen lernen würde. Tag und Nacht, Anfang und Ende, Weg und Ziel verschwinden in dieser riesigen Schwärze, die offensichtlich alles enthält, aber frei ist von menschlichem Drang, sich in
sichtbaren Formen zu gestalten. Ich war darauf vorbereitet, in dieser schwarzen Dunkelheit dem Sterben zu begegnen, und doch wohnt hier Leben in jeder
Möglichkeit. Ich begreife die matriarchale Lehre, dass die Dunkelheit lange vor allem anderen war und dass aus ihr alles hervorgegangen ist.
Viele Megalith-Kulturen weisen unterirdische Kulträume auf, die der Erfahrung der Dunkelheit dienten. An einigen Orten ist nachzuweisen, dass an einer bestimmten Stelle der erste Strahl der Wintersonnenwende hineinfiel, z.B. in den Grabkammern von Newgrange in Irland. Offensichtlich ging dem Mittwinterritual eine lange, stille Phase in der Dunkelheit voran.
Jul – Wintersonnenwende – Mittwinter
Der kosmische Wendepunkt ist so zart und geschieht wirklich kaum sichtbar im Verborgenen. Hätten wir keine astronomischen Messgeräte oder Kalender, würden wir von der Sonnenwende kaum etwas spüren.
Riesige Einrichtungen aus der Jungsteinzeit wie der Steinkreis zu Stonehenge zeugen von den astronomischen Leistungen unserer Vorfahren.
Jul ist das Fest der Wintersonnwende. Wir feiern die Rückkehr des Lichtes. Die Tage werden ab diesem Zeitpunkt wieder länger.
Die „stille Zeit“ bietet einen speziellen Zugang zur geistigen Welt, der eigenen Spiritualität und dem persönlichen Wachstum. Es ist eine Zeit des Überganges, der Standortbestimmung und Neuorientierung, um Dir Deiner eigenen Bestimmung bewusster zu werden, Dich danach auszurichten und zu leben.
So wünsche ich dir jetzt heilsames Sinken in die Dunkelheit…
In die Stille…
In die Leere…
Möge Mutter Erde dir da Regeneration schenken!
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